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Zweifel und Unsicherheit befeuern Zwänge

Es gibt viele Menschen, die von Zwangsstörungen betroffen sind. Einige von ihnen haben aufdringliche Gedanken, andere leiden ausschließlich unter Zwangshandlungen. Was sie gemeinsam haben, ist die ständige Suche nach Sicherheit. Und genau das ist auch oft der Auslöser für Zwangsstörungen: Zweifel und Unsicherheiten.

Take Home Messages

Zwangspatienten können bestimmte Dinge nicht aufhören zu tun oder zu denken.
Schätzungen zufolge suchen zwei Drittel von Zwangserkrankten keine professionelle Hilfe auf und wenn doch, vergehen viele Jahre.
Jeder Mensch kennt Zwänge. Nicht nur Menschen, die unter einer Zwangsstörung leiden. Der einzige Unterschied. Bei Zwangsstörungen handelt es sich um eine übertriebene und extreme Form eines an sich normalen Verhaltens.

Jeder Mensch kennt Unsicherheit und Zweifel, aber bei Menschen mit Zwangsstörungen wird diese Suche nach Sicherheit zur treibenden Kraft. Etwa 2-3% der Bevölkerung leiden nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen an einer Zwangsstörung, das entspricht etwa 1,5 bis 2,5 Millionen Menschen. Also gar nicht mal so wenig. Oft können Außenstehende das Leiden der Betroffenen nicht richtig verstehen oder nachvollziehen. Warum eigentlich?

Weil die Betroffenen oft selbst nicht genau wissen, warum sie bestimmte Dinge tun bzw. nicht aufhören können zu tun. Obwohl sie die Zwänge am liebsten schnell verbannen wollen, können sie sie nicht einfach unterlassen. Ihre große Befürchtung dahinter: Es könnte ja alles noch schlimmer werden, d.h. ohne die Zwänge könnte man sich ja noch schlechter fühlen.

Zwangsbetroffene fühlen sich mit ihrem Problem oft allein und einige haben sogar das Gefühl, nach und nach verrückt zu werden. Wenn schon sie selbst nicht verstehen, was in ihnen vorgeht, wie können es dann andere oder der Therapeut/die Therapeutin tun? Leider sind “Nicht-Betroffene”, z.B. Freunde, Geschwister oder die Eltern keine große Hilfe, denn sie sind oft gar nicht in der Lage, das Ausmaß des Leidens zu verstehen und geben daher nicht wirklich hilfreiche Ratschläge. Das wiederum verstärkt den Glauben, dass nur sie selbst solche Probleme haben. Schließlich beobachten sie nur selten ein ähnliches Verhalten bei anderen. Aus diesem Grund halten Zwangsbetroffene ihre Fassade einfach aufrecht und versuchen, ihr Leben so normal und unauffällig wie möglich zu gestalten, um nicht noch mehr stigmatisiert zu werden. Viele schämen sich auch für ihr Verhalten oder ihre absurden Gedanken und versuchen mit allen Mitteln, das Problem geheim zu halten. Daher ist es auch nicht überraschend, dass die meisten Betroffenen sich zurückziehen.

Schätzungen zufolge suchen zwei Drittel von Zwangserkrankten keine professionelle Hilfe auf und wenn doch, vergehen viele Jahre, bis sie sich dann doch bereit erklären, sich endlich behandeln zu lassen. Und wenn sie dann einer Therapie zustimmen, passiert es nicht selten, dass sie unzureichende oder gar falsche therapeutische Unterstützung erhalten. Besonders Patienten mit Zwangsgedanken werden oft erstmal fehldiagnostiziert. Denn Zwänge sind sehr vielfältig und können entgegen der landläufigen Meinung auch nur im Kopf stattfinden, ohne dass eine einzige sichtbare Zwangshandlung stattgefunden haben muss.

Vielleicht hast du als Betroffener schon verschiedene Tipps und Tricks ausprobiert, die bei gesunden Menschen helfen, bei dir jedoch nicht die gewünschte Wirkung erzielt haben. Du hast vielleicht auch schon versucht zu meditieren oder es mit anderweitiger Ablenkung versucht, um deine Ängste, deine Zwänge und Unruhe zu bekämpfen. Doch trotz all deiner Anstrengungen bleibt dein Zwangsproblem bestehen und es beeinträchtigt weiterhin deine Lebensqualität. Du fühlst dich durch die gescheiterte Hilfe sogar immer hilfloser und verzweifelter.

Erstmal gilt zu sagen, und das mag vielleicht überraschend für dich als Betroffener klingen, dass tatsächlich jeder Mensch so etwas wie Zwänge kennt. Nicht nur Menschen, die unter einer Zwangsstörung leiden. Dein Zwang unterscheidet sich prinzipiell NICHT von den Zwängen von “Gesunden”. Bei dir handelt es sich lediglich um eine übertriebene und extreme Form eines an sich normalen Verhaltens.

Du solltest dir also erstmal bewusst machen: Jeder Mensch hat ähnliche Bedenken wie du - niemand möchte beispielsweise sein Kind vom Arm fallen lassen, seine Frau erstechen oder schlimme Gedanken denken. Auch unangenehme Gefühle wie Angst, Scham, Ekel oder Schuldgefühle sind jedem bekannt. Der Unterschied besteht darin, dass Nicht-Betroffene nicht alles dafür tun würden, um diese Dinge hundertprozentig zu kontrollieren.

Im Gegensatz zu “normalen” Menschen hat dein starkes Verlangen nach Sicherheit paradoxerweise dazu geführt, dass dein Drang nach Kontrolle sogar immer stärker geworden ist. Während andere Menschen Ungewissheit einfach ab einem gewissen Punkt akzeptieren und weniger perfektionistisch sind, hält dein Zwang sie in seinen Klauen gefangen. Kompetenzen wie Intelligenz, Kreativität oder Gewissenhaftigkeit helfen Ihnen dir deinen Zwängen nicht weiter. Im Gegenteil, wer seinen Zwang mit Logik und Vernunft lösen will, wird scheitern.

Fazit: Jeder Mensch kennt Zwangsgedanken, impulsive und aufdringliche Gedanken. Ob es ein absurder Gedanke ist, zum Beispiel jemanden zu erstechen oder einfach der Gedanke, lieber kontrolliere ich nochmal, ob die Haustür abgesperrt wurde. Bei Menschen mit Zwangsstörungen ist das an sich normale Verhalten ausgeufert bzw. den normalen aufdringlichen Gedanken wird zu viel Beachtung geschenkt.

Autor: Dr. Ulrich Weber

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Hinweis: Wegen der besseren Lesbarkeit verzichten wir aufs Gendern. Selbstverständlich sind damit immer alle Menschen jeglicher Geschlechtsidentität gemeint.

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